Aug. 21, 2025
Geschichte
Das Gebäude
Die Jakob Wegmann-Krapf Elektromotorenfabrik wurde von Mitte der 1920er- bis in die 1940er-Jahre etappenweise errichtet. Laut Schweizerischem Handelsblatt diente sie dem Zweck einer „elektro-mechanischen Werkstatt und dem Handel mit Installationen, neuen und gebrauchten elektrischen Maschinen“ sowie der „Fabrikation und dem Handel mit Elektromotoren, Apparaten, Schleifmaschinen, Ventilatoren und Ventilationsanlagen“. Zudem umfasste sie den „Betrieb einer Elektro-Reparaturwerkstätte“ sowie die „Neu- und Umwicklung von Elektromotoren und Transformatoren“.
Gründung Verein
Auf Initiative von Urs Graf und Petra Fischer wurde am 9. März 1985 der Verein IG-Kultur in der Fabrik gegründet, der das damals leerstehende Gebäude anmietete. Seither entwickelte sich die Fabrik zu einem Atelierhaus mit rund 15 Ateliers sowie zu einem Veranstaltungsort. Ziel des Vereins ist es, in der Fabrik ein kulturelles Zentrum zu betreiben und das zeitgenössische Kulturschaffen in der Region Bern/Burgdorf/Emmental zu fördern. Von Beginn an wurde die Fabrik von der Stadt Burgdorf mit einem jährlichen Beitrag unterstützt.
Ateliers
Seit den Anfängen haben zahlreiche Künstler:innen in den Räumen der Fabrik gearbeitet.
Anbei eine Übersicht, wer hier bereits ein Atelier genutzt hat: Walter Aebersold, Urs Aeschbach, Edgar Blackburn, Emanuel Brunner, Hansjürg Brunner, Manuel Burgener, Vincent Chablais, Dominik Dähler, Petra Frei, Hans Friedli, Michael Gelzer, Ueli Gerber, Urs Graf, Petra Graf, Katharina Gusset, Eva Haas, Betty Hess, Marc Antoni Huonder, Valérie Jomini, Doris Jörg, Rita Joss, Tomas Kratky, Dieter Kuhn, Pi Ledergerber, Tony Long, Alfred Marti, Elisabeth Meister, Barbara Meyer Cesta, Ferdinand Oberholzer, Jürg Oldani, Daniel Ritter, Renata Roncalli, Max Roth, Monika Rutishauser, Daniel Salzmann, Rudolf Steiner, Bertrand Viglino, Michael Vögeli, Jürg Waltisberg, Jürg Wegmüller, Daniel Wittwer, Stanislas Zimmermann, Véronique Zussau.
Die aktuellen Mitglieder sind: David Aebi, Daniel Baumann, Peter Gysi, Mathias Jakob, Ursula Jakob, Sabina Lang, Selina Lutz, Linus Lutz, Vinzenz Meyner, Ralf Samens, Simeon Sigg, Verena Welten und Niklaus Wenger.
Halle / Gastatelier
Nebst den Ateliers beherbergt die Fabrik auch das Winterquartier des Theater Zirkus Wunderplunder. In der Halle werden während der Wintermonate die Zirkuswagen repariert und das neue Theaterstück einstudiert. In einem angrenzenden Halbstock wurden zudem eine grosse Küche, Toiletten und ein Büro eingerichtet – dieser Bereich dient dem Team als Aufenthaltsort, während sie in den Wagen wohnen. Im unteren Geschoss befinden sich Lager und Werkstatt des Zirkus.
Seit den 1990er-Jahren stellt die Fabrik im Sommer ein Gastatelier für bildende Künstler:innen aus dem Ausland zur Verfügung. Das Stipendium dauert jeweils drei Monate. Die Gäste können die Halle als Werkraum nutzen und im Wohnbereich des Zirkus Wunderplunder wohnen. Während ihres Aufenthalts werden sie von den Ateliermieter:innen betreut, und zum Abschluss findet oft ein kleiner Open-Studio-Anlass für die Öffentlichkeit statt.
Bisherige Stipendiat:innen waren: Ece Cangüden, Shamin Radmand, Lars Anker Rasmussen, Mathieu Bessey, Heiko Sievers, Slava Ptrk, Laura Sebastianes, Raissa Angeli, Boris Nieslony, Skafte Kuhn, Alexander Lieck, Wiktor Wolski, Ula Lucińska, Michal Knychaus, Magnhild Nordahl & Cameron MacLeod, Paul Czerlitzki, Johanna Jaeger, Kah Bee Chow, Elvira Santamaria, Brian Patterson, Steve van den Bosch, Thu van Tran, Gregor Graf, Kurt Lackner, Hamdi Reda, Petr Placak, Milena Oda, Laura Padgett, Sandra Kranich, Kurt Hoffmann, Jochem Hendricks, Hajnal Németh, Alma Fazlic, Zlatan Filipovic, Rachel Kathryn Rossner, Damir Niksic, Almir Surkovic, Haris Brica.
Das Gastatelier wird in Zusammenarbeit mit der Stadt Burgdorf ausgeschrieben und von dieser auch unterstützt.
Zwischen dem Aufenthalt des Wunderplunder-Teams und dem Beginn des Gastateliers steht die Halle im Mai und September jeweils externen Nutzer:innen als Atelier-, Werk- oder Ausstellungsraum zur Verfügung.
Genossenschaft
1994 konnte das Gebäude von der neu gegründeten Fabrikgenossenschaft erworben werden. Alle Ateliermieter:innen sind zugleich Genossenschafter:innen und betreiben die Fabrik seither selbstverwaltet. Nach der Übernahme wurden die Räume neu aufgeteilt, Gemeinschaftsbereiche geschaffen und das Gebäude wird seitdem in Eigenregie Schritt für Schritt sanft saniert.
Gemeinschaftlich genutzt werden heute ein kleines Büro mit Computer, Drucker, Scanner und Kopierer, ein Gästezimmer sowie ein Gemeinschaftsraum mit Küche.
Ausstellungen / Veranstaltungen
Seit den Anfängen wurde der Ausstellungsraum «Raum & Reaktion» von Max Roth und Andreas Althaus in einem Kellerraum über mehrere Jahre betrieben. Dort fanden zahlreiche experimentelle Ausstellungen statt.
Auch in der Halle wurden immer wieder Ausstellungen realisiert, unter anderem von Dieter Kuhn, Ursula Jakob, Ralf Samens, mehreren Gastkünstler:innen, Jwan Luginbühl sowie die Gruppenausstellung The daughter brings the water mit jungen Absolventinnen der HKB im Jahr 2017.
Von 1994 bis Ende der 1990er Jahre führte der Kunstsammler Ferdinand Oberholzer im Erdgeschoss einen Ausstellungsraum mit Werken aus seiner Sammlung, darunter Markus Raetz, Dominique Uldry, Peter Stein, Albrecht Schnider und weitere.
Auch an den zahlreichen Fabrikfesten trugen viele bildende Künstler:innen mit Installationen oder Performances bei, darunter San Keller, Monika Stalder, Nina Rieben, Laura Grubenmann, Martin Pfeifle, Wiktor Wolski, Michał Knychaus, Ula Lucińska, Konrad Smolenski, Ernestyna Orlowska, Jean-Daniel Berclaz, PAC, Pascale Grau, Valerian Maly & Klara Schilliger, Victorine Müller, Heinrich Lüber, Yan Duyvendak, Andres Lutz, Roman Signer, Osamu Okuda, Sandra Kranich sowie Mitglieder des Kunstraums deFabriek aus Eindhoven.
Seit 2005 – zum 20-jährigen Jubiläum – leuchtet das Werk ESCAPE von Christian Robert-Tissot als dauerhafte Leuchtschrift über dem Fabrikdach.
Weitere Veranstaltungen
Die Veranstaltungen in der Halle im Erdgeschoss wurden von 1985 bis 1990 hauptsächlich von Urs Graf und Peter Knutti kuratiert. Ihren Anspruch beschrieben sie als «etwas zwischen Kunsthalle und Altem Schlachthaus in Bern, mit Übungs- und Auftrittsmöglichkeiten für Musik-, Theater- und Tanzgruppen». In dieser Zeit fanden zahlreiche Workshops, Performances, Symposien, Theateraufführungen, Ausstellungen und Konzerte statt.
Zu den Highlights zählten:
29. August bis 1. September 1985: Eröffnungsfest mit der Ausstellung ana Log (rund 40 eingeladene Künstler:innen), Performances von Cathy Rose (New York), Serge Ladore, Ka Moser sowie Konzerte der George-Steinmann-Blues-Band, des IGIM-Orchesters, des Rock-Zirkus und des Burgdorfer Kammerorchesters.
1987: 72 Stunden Musik, eine Komposition von 72 Stunden Dauer mit zwei Dutzend Mitwirkenden, etwa 20 Instrumenten und rund 50 Lautsprechern – in Zusammenarbeit mit der Musikwerkstatt Basel.
2. September 1989: Das erste Schweizer Hip-Hop-Festival Remember the Cause, organisiert von Damian Schnyder und Hannes Hug, mit Auftritten von Trouble and Ruff D.J. Jay & Lords Of Rap (GB), D.J. Dee Nasty & Lionel D (F), Rock da Most (D) sowie den Schweizer Rap-Pionier:innen Luana und EKR.
Ebenfalls 1989: Die Live-Aufzeichnung der SRF-Sendung Seismo-Nachtschicht mit einem Auftritt von Gianna Nannini in der Fabrik.
Ab 1990 übernahm Fritz Stalder für vier Jahre die Programmierung. Doch die Kulturlandschaft hatte sich inzwischen stark verändert: In Bern war das Raumangebot deutlich grösser geworden, und als die Fabrik 1994 von der neu gegründeten Genossenschaft übernommen wurde, entschied man sich gegen die Fortführung des Veranstaltungsbetriebs in der bisherigen Form.
Heute beteiligt sich die Fabrik regelmässig an der Burgdorfer Kulturnacht, organisiert Atelierbesuche bei den hier arbeitenden oder den Gastkünstler:innen und ist jährlich Schauplatz der Premieren- und Dernierenfeste des Zirkus Wunderplunder.
Fabrikfest
Seit Mitte der 1990er Jahre organisiert die Fabrik jedes Jahr ein Fabrikfest. Der Anlass richtet sich an die Öffentlichkeit und interessierte Besucher:innen und bietet jeweils ein abwechslungsreiches Programm mit Performances, Konzerten, Kulinarik, Barbetrieb sowie einer von den Hausmitgliedern gestalteten Dekoration der Halle.
Zu den bisherigen auftretenden Künstler:innen gehörten u.a. Roman Signer, Lightning Beatman, Heinrich Lüber, Yan Duyvendak, San Keller, Michael Fehr, Konrad Smolenski sowie die Bands The Dead Brothers, Hildegard Lernt Fliegen, Les Reines Prochaines und BigZis.